Im Jahre 2024 begehen wir Hubertusschützen das 125-jährige Jubiläum der Gesellschaftsgründung. Im Vorgriff auf dieses große Ereignis möchte das Archiv der Hubertusschützen an verdienstvolle Mitglieder erinnern, ohne deren Wirken unsere Gesellschaft nicht ihre heutige Stellung besäße. Heute erinnern wir uns an Bruno Kistler.
Bruno Kistler, der erste Major nach der Erneuerung unserer Gesellschaft im Dezember des Jahres 1952, wurde am 11. Dezember 1920 in Siegburg geboren. Als Enkel eines aus Reichenburg im Kanton Schwyz nach Königswinter ausgewanderten Schweizer Bürgers und Sohn des gelernten Fotografen und Musikalienhändlers Georg Kistler (*1897 in Königswinter). Dieser zog im November 1920 nach Neuss, um sich hier eine Existenz aufzubauen.
Ein halbes Jahr später folgte ihm seine Frau Clara geb. Frank mit dem halbjährigen Bruno. Georg Kistler, der im Jahre 1953 unser erster Hubertuskönig sein wird, eröffnete auf dem Büchel ein Radio- und Musikaliengeschäft, mit welchem er 1970 das Goldene Geschäftsjubiläum begehen wird. Später kamen noch weitere Filialen in Reuschenberg und Grevenbroich hinzu.
Bruno Kistler wuchs im Herzen der Stadt Neuss auf
Seine späteren Adjutanten Mathias Gondorf und Alex Wismann zählten zu seinen Schulkameraden. Das Einmaleins des Kaufmanns erlernte Bruno Kistler nach seiner Mittleren Reife an der Höheren Handelsschule. Seinem Abitur im Jahre 1939 folgte erst die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst nach Limburg und die daraufhin folgende Einberufung zum Wehrmachtsdienst. Hierüber kann das Archiv nur das berichten, was in verschiedenen Artikeln der Hubertuszeitung angedeutet wird. Dem Vernehmen nach, gelang es ihm aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zu flüchten und bereits zum November 1945 erfolgte seine Rückkehr nach Neuss.
Hier machte er das, was viele Menschen in jenen Tagen unternahmen um das bisher erreichte zu wahren, zu retten und es in eine Zukunft zu führen. Irgendwie schlug man sich durch und hoffte auf bessere Zeiten. Es war die Zeit der großen Improvisation, in der der eigene Horizont selten über die aktuelle Woche reichte. Es galt wirtschaftlich zu überleben.
Dem Gespann Vater Georg und seinem Sohn Bruno gelang das sehr gut, sie bauten das führende Neusser Unternehmen im Bereich Musikalien, Radio- und Veranstaltungs- sowie Beschallungstechnik auf. Von Schulfreunden gedrängt, wagte er 1949 erste Schritte im Schützenwesen.
Im Jahr 1950 gründete er den Jägerzug „Erftjunker“
Als Gastmarschierer marschierte er als Flügelmann im Jägerzug „Peter I“ mit. Damit scheint er seine Abneigung aus Kriegsjahren überwunden zu haben „nie mehr irgendwo Mitglied zu sein, wo man im Gleichschritt marschiert“, denn im Folgejahr 1950 gründete er den Jägerzug „Erftjunker“, gemeinsam mit anderen bekannten späteren Hubertus Persönlichkeiten wie Herbert Blasweiler, Theo Hahne, Juppi Decker und Toni Sauer.
Das Auftreten dieses Zuges schien das Komitee beeindruckt zu haben, denn es trug dem Zug an, sich den kränkelnden und überalterten Hubertusschützen anzuschließen, um dieses Korps wieder zu beleben und es zu erhalten. In einem ungeheuren Kraftaufwand gelang Bruno Kistler gemeinsam mit den Zugkameraden nicht nur das. Nein, es gelang mehr.
Das Korps wurde nicht nur gerettet, sondern auf einen nie erwartbaren Weg zu einer neuen Größe geführt, die es vormals nie erlebt hatte. Binnen einiger Monate hatten Bruno Kistler und seine Freunde die Gesellschaft neu geformt, eine neue Uniform entworfen, einen Fahnenzug und einen Fanfarenzug aufgebaut, es strömte der Zulauf von neuen Mitgliedern, binnen einiger Wochen mehr als es jemals Mitglieder bei den Hubertus-Schützen gegeben hatte.
Das Korps wurde zu neuer Größe geführt
Von den Jägern kam noch ein weiterer Zug, „Waldhorn 1949“ (bis 1958), von den Grenadieren „Ewig Jung A.H.“. Es gab Neugründungen bereits 1953, wie „Hirschfänger“ (bis 1962) oder „Freischütz“ (bis 2003). Weitere Neugründungen in den frühen Folgejahren, wie 1955 „Kreuzritter“, „Götz von Berlichingen“ und „Diana“ ließen das Korps weiter anwachsen und gedeihen noch heute. Eine rasante Zeit des Aufbaus, passend zu der Zeit des Wirtschaftswunders.
Den großen Höhepunkt dieser rasanten Aufbauphase bildete der von den Hubertusschützen heißumjubelte Königsschuss von Bruno Kistler. Im Jahre 1957 wurde er zum ersten Schützenkönig der Hubertusschützen gekrönt. Jubel und Stolz kannten keine Grenzen mehr. Auf dem nächsten Schützenfest bauten die Hubertus Schützen sogar eine erste Großfackel, beinahe die größere Sensation.
Einen kleinen Einbruch seiner Schützenkarriere erlebte Bruno Kistler auf der Generalversammlung im Januar 1959. Er wurde nicht zum Major wiedergewählt. An seiner Stelle wählte man Karl Meyer, den Hauptmann und Zugführer der „Erftjunker“. Allerdings trat dieser nach wenigen Wochen aus diesem Amt zurück. Auch 1959 wie im Vorjahr, dem Königsjahr Bruno Kistlers, musste ein Majorsvertreter auf dem Schützenfest dem Korps voranreiten. Wieder war es Toni Lück.
Bruno Kistler war 35 Jahre Hubertus-Major
Bei der Generalversammlung 1960 wurde Bruno Kistler wieder zum Major gewählt und blieb es bis 1988. Warum in späteren Darstellungen und Lobesreden und Artikeln diese Tatsache verschämt verschwiegen wird oder schwurbelnd umschrieben, können wir nicht erklären. Hat es doch bereits Joseph Lange in seiner Geschichte der Hubertus-Schützen beschrieben.
Die geglättete Sprachregelung war, dass Bruno Kistler 35 Jahre Hubertus-Major war und nur in seinem Königsjahr als Major vertreten werden musste. Möglicher Weise wollte man bei seiner Verabschiedung keinerlei Schatten auf seine unvergleichlich lange Karriere fallen lassen.
Ab 1965 übernahm er auch in Personalunion das Amt des Ersten Vorsitzenden der Gesellschaft, bislang wurde das Hubertus-Korps dual geführt. Von 1952 bis 1965 waren Vorsitzender und Major zwei Personen. Dies war in der höchst arbeitsreichen Aufbauphase zwingend notwendig, die Arbeit musste von möglichst vielen Schultern getragen werden.
Im Jahre 1987 verkündete Bruno Kistler seinen Rücktritt
Ab dem Jahre 1962 hatte sich die Zahl der Hubertus-Schützen verringert, 70 Schützen hatten das Korps verlassen, um die Schützengilde zu gründen. Acht Züge plus Fanfarenzug marschierten auf dem Schützenfest 1963 auf. Vielleicht 130 Mann ohne Musik.
1988, beim ersten Schützenfest nach dem Rücktritt Bruno Kistlers marschierten 380 Hubertusschützen über den Markt. Das zeigt, dass in den langen Jahren nach der Trennung 1962 ein kontinuierliches aber weitaus langsameres Wachstum als zur Phase des Wiederaufbaus das Hubertus-Korps weitaus stabiler gedieh.
Die allermeisten Züge aus dieser Zeit des langsameren Wachstums bilden noch heute den Kern unserer Gesellschaft. Bruno Kistler genoss unter seinen Hubertus-Schützen nahezu Heldenverehrung. Da er neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die der Schweiz besaß, hatte er neben seinem Haus in Düsseldorf Stockum ein Anwesen in der Schweiz und residierte dort einen großen Teil des Jahres.
Der Vorstand der Gesellschaft war äußert stabil und besaß hohe Kontinuität
Die Führung seiner Hubertusschützen in Neuss überließ er Männern, die sein größtes Vertrauen besaßen. Allen voran Hauptmann Manfred Günther, fähigen Geschäftsführern und Schatzmeistern sowie seinen getreuen Adjutanten Mathias Gondorf und Alex Wismann.
Die St. Sebastianus-Schützenbruderschaft, der unsere Gesellschaft angehört, ehrte Bruno Kistler mit den höchsten Auszeichnungen, darunter der Kleine Goldene Stern zum Schulterband des St. Sebastianus-Ehrenkreuz im Jahre 1981. Im Jahre 1987 verkündete Bruno Kistler seinen Rücktritt zum nächsten Jahr aus gesundheitlichen Gründen.
Auf der Generalversammlung 1988 musste ein neuer Erster Vorsitzender und Major gewählt werden. Sein letztes Schützenfest als Major wurde durch die lokale Presse mit ganzseitigen Artikeln begleitet. Das Komitee ehrte ihn mit der Ehrenmitgliedschaft. Eine Auszeichnung, die seinerzeit noch sehr selten verliehen wurde. Bruno Kistler sollte sein Hubertus-Korps nur noch einmal auf dem Schützenfest 1988, durch seinen Nachfolger Manfred Günther angeführt, über den Markt ziehen sehen. Er verstarb am 4. Januar 1989 an Herzversagen. Die Trauer der Hubertusschützen kannte keine Grenzen.
Viktor Steinfeldt